Entscheidung

Entscheidung Nr. 2012-647 DC vom 28. Februar 2012

Gesetz zur Ahndung der Leugnung von gesetzlich anerkannten Völkermorden

Der Verfassungsrat ist am 31. Januar 2012 gemäß Artikel 61 Absatz 2 der Verfassung bezüglich des Gesetzes zur Ahndung der Leugnung von gesetzlich anerkannten Völkermorden angerufen worden von den Damen und Herren Abgeordneten Jacques MYARD, Michel DIEFENBACHER, Jean AUCLAIR, Jean-Paul BACQUET, Jean BARDET, Christian BATAILLE, Jean-Louis BERNARD, Marc BERNIER, Claude BIRRAUX, Jean-Michel BOUCHERON, Christophe BOUILLON, Bruno BOURG-BROC, Loïc BOUVARD, Pascal BRINDEAU, Yves BUR, Christophe CARESCHE, Gilles CARREZ, Gérard CHARASSE, Jean-Louis CHRIST, Pascal CLÉMENT, François CORNUT-GENTILLE, René COUANAU, Olivier DASSAULT, Jean-Pierre DECOOL, Lucien DEGAUCHY, Sophie DELONG, Jean-Louis DUMONT, Cécile DUMOULIN, Marie-Louise FORT, Yves FROMION, Jean-Paul GARRAUD, Daniel GARRIGUE, Claude GATIGNOL, Hervé GAYMARD, Paul GIACOBBI, Franck GILARD, Jean-Pierre GORGES, François GOULARD, Arlette GROSSKOST, Michel HEINRICH, Antoine HERTH, Françoise HOSTALIER, Denis JACQUAT, Yves JÉGO, Jérôme LAMBERT, Jacques LAMBLIN, Laure de LA RAUDIÈRE, Jacques LE GUEN, Apeleto Albert LIKUVALU, Jean-François MANCEL, Alain MARTY, Didier MATHUS, Jean-Philippe MAURER, Jean-Claude MIGNON, Pierre MORANGE, Jean-Marc NESME, Michel PIRON, Didier QUENTIN, Michel RAISON, Jean-Luc REITZER, Jean-Marie ROLLAND, Daniel SPAGNOU, Eric STRAUMANN, Lionel TARDY, André WOJCIECHOWSKI, sowie von den Damen und Herren Abgeordneten Abdoulatifou ALY, Jean-Paul ANCIAUX, Paul DURIEU, Sylvia PINEL, Chantal ROBIN-RODRIGO, Philippe VIGIER und am 2. Februar 2012 von den Damen und Herren Abgeordneten Gwendal ROUILLARD, Laurence DUMONT, Jean MICHEL, Jack LANG und Dominique ORLIAC,
 
sowie am selben Tag von den Damen und Herren Senatoren Jacques MÉZARD, Leila AÏCHI, Nicolas ALFONSI, Alain ANZIANI, Aline ARCHIMBAUD, Bertrand AUBAN, Gilbert BARBIER, Jean-Michel BAYLET, Esther BENBASSA, Michel BILLOUT, Marie-Christine BLANDIN, Corinne BOUCHOUX, Didier BOULAUD, Christian BOURQUIN, Alain CHATILLON, Jean-Pierre CHEVÈNEMENT, Christian COINTAT, Yvon COLLIN, Pierre-Yves COLLOMBAT, Hélène CONWAY-MOURET, Ronan DANTEC, Jean-Pierre DEMERLIAT, Marcel DENEUX, Yves DÉTRAIGNE, Claude DILAIN, Muguette DINI, André DULAIT, Jean-Léonce DUPONT, Josette DURRIEU, Anne-Marie ESCOFFIER, Alain FAUCONNIER, Françoise FÉRAT, François FORTASSIN, Alain FOUCHÉ, Christian-André FRASSA, René GARREC, Patrice GÉLARD, Gaëtan GORCE, Nathalie GOULET, Jacqueline GOURAULT, Sylvie GOY-CHAVENT, François GROSDIDIER, Robert HUE, Jean-Jacques HYEST, Pierre JARLIER, Fabienne KELLER, Bariza KHIARI, Virginie KLÈS, Joël LABBÉ, Françoise LABORDE, Jean-René LECERF, Claudine LEPAGE, Jeanny LORGEOUX, Jean-Louis LORRAIN, Roland du LUART, Philippe MADRELLE, Jean-Pierre MICHEL, Catherine MORIN-DESAILLY, Jean-Marc PASTOR, Jean-Claude PEYRONNET, Jean-Jacques PIGNARD, François PILLET, Jean-Vincent PLACÉ, Jean-Pierre PLANCADE, Christian PONCELET, Hugues PORTELLI, Gisèle PRINTZ, Roland RIES, Gilbert ROGER, Yves ROME, Robert TROPEANO, Raymond VALL, Jean-Marie VANLERENBERGHE, François VENDASI, Jean-Pierre VIAL, André VILLIERS und Richard YUNG, sowie am 2. Februar 2012 von den Herren Senatoren Michel BERSON, Aymeri de MONTESQUIOU, Jean-Claude MERCERON, Jean-Jacques LASSERRE und am 3. Februar 2012 durch Herrn Senator Jean-Jacques LOZACH.
 
DER VERFASSUNGSRAT,
 
Unter Bezugnahme auf die Verfassung;
 
Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;
 
Unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 29. Juli 1881 über die Pressefreiheit;
 
Unter Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch;
 
Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Regierung, eingetragen am 15. Februar 2012;
 
Unter Bezugnahme auf die schriftliche Entgegnung der antragstellenden Abgeordneten, eingetragen am 21. Februar 2012;
 
Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;
 

  1. In Erwägung dessen, dass die antragstellenden Abgeordneten und Senatoren dem Verfassungsrat das Gesetz zur Ahndung der Leugnung von gesetzlich anerkannten Völkermorden zur Prüfung vorlegen;
     
  2. In Erwägung dessen, dass der Artikel 1 des zur Prüfung vorgelegten Gesetzes in das Gesetz über die Pressefreiheit vom 29. Juli 1881 einen Artikel 24 c einfügt; dass gemäß diesem Artikel mit einem Jahr Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 45.000 Euro bestraft wird, wer auf gleichwelche Art und Weise „einen oder mehrere gemäß Artikel 211-1 des Strafgesetzbuches definierte und als derartige Verbrechen vom französischen Gesetz anerkannte Völkermorde […] leugnet oder grob bagatellisiert“; dass der Artikel 2 des zur Prüfung vorgelegten Gesetzes den Artikel 48-2 des Gesetzes vom 29. Juli 1881 ändert; dass er das Recht bestimmter Verbände, als Nebenkläger aufzutreten, erweitert, insbesondere um die Folgen aus der Schaffung dieses neuen Straftatbestandes zu ziehen;
     
  3. In Erwägung dessen, dass die Antragsteller behaupten, das zur Prüfung vorgelegte Gesetz verletze die von Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 geschützte Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, sowie das Legalitätsprinzip aus Artikel 8 der besagten Erklärung; dass diese Vorschrift ebenfalls gegen den Gleichheitssatz verstoße, da sie Strafen zum einen nur in Fällen von durch ein französisches Gesetz anerkannten Völkermorden und zum anderen nur bei Völkermorden und nicht auch bei anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorsehe; dass die antragstellenden Abgeordneten darüber hinaus vortragen, der Gesetzgeber habe den Umfang seiner eigenen Zuständigkeit sowie den in Artikel 16 der Erklärung von 1789 niedergelegten Grundsatz der Gewaltenteilung verkannt; dass auch der aus Artikel 8 der Erklärung folgende Grundsatz der Notwendigkeit der Strafe sowie der sich aus Artikel 4 der Verfassung ergebende Grundsatz, gemäß welchem die politischen Parteien sich frei betätigen, verletzt seien;
     
  4. In Erwägung dessen, dass, zum einen, Artikel 6 der Erklärung von 1789 bestimmt: „Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens […]“; dass sich aus diesem Artikel wie aus der Gesamtheit aller anderen Normen von Verfassungsrang, welche den Gegenstand eines Gesetzes betreffen, ergibt, dass, vorbehaltlich besonderer Verfassungsbestimmungen, ein Gesetz zur Aufgabe hat, Rechtsvorschriften zu enthalten und daher einen normativen Charakter aufzuweisen hat;
     
  5. In Erwägung dessen, dass, zum anderen, Artikel 11 der Erklärung von 1789 verkündet: „Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte. Jeder Bürger kann also frei reden, schreiben und drucken unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen“; dass Artikel 34 der Verfassung vorschreibt: „Durch Gesetz werden geregelt: […] die staatsbürgerlichen Rechte und die den Staatsbürgern zur Ausübung ihrer Grundfreiheiten gewährten Grundrechte“; dass es dem Gesetzgeber auf dieser Grundlage freisteht, Vorschriften zu erlassen, welche die Ausübung der Kommunikationsfreiheit und das Recht zu reden, zu schreiben und zu drucken regeln; dass es ihm diesbezüglich ebenfalls freisteht, neue Straftatbestände vorzusehen, welche eine missbräuchliche, die öffentliche Ordnung und die Rechte Dritter verletzende Ausübung der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit ahnden; dass jedoch die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit ein sehr hohes Gut darstellt, da sie eine Voraussetzung der Demokratie und eine der Gewährleistungen zur Durchsetzung der anderen Rechte und Freiheiten ist; dass die Eingriffe in dieses Grundrecht in Bezug auf das verfolgte Ziel notwendig, geeignet und verhältnismäßig sein müssen;
     
  6. In Erwägung dessen, dass eine gesetzliche Bestimmung, die einen Völkermord „anerkennt“, als solche nicht den normativen Charakter haben kann, der mit einem Gesetz einhergeht; dass der Artikel 1 des zur Prüfung vorgelegten Gesetzes jedoch die Leugnung oder grobe Bagatellisierung eines oder mehrerer und „als derartige Verbrechen vom französischen Gesetz anerkannte[r]“ Völkermorde ahndet; dass der Gesetzgeber durch die Ahndung der Leugnung von Verbrechen und der gesetzlichen Einordnung solcher Taten, die er selbst als Verbrechen anerkannt und qualifiziert hat, einen verfassungswidrigen Eingriff in die Ausübung der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit vorgenommen hat; dass daher, und ohne dass Anlass bestünde, die weiteren Rügen zu prüfen, der Artikel 1 des zur Prüfung vorgelegten Gesetzes für verfassungswidrig erklärt werden muss; dass der Artikel 2, der mit dieser Vorschrift untrennbar verbunden ist, ebenfalls für verfassungswidrig erklärt werden muss,
     
    ENTSCHEIDET:
     
    Artikel 1 - Das Gesetz zur Ahndung der Leugnung von gesetzlich anerkannten Völkermorden ist verfassungswidrig.
     
    Artikel 2 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht.
     
    Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 28. Februar 2012, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Valéry GISCARD d’ESTAING und Pierre STEINMETZ.

Les abstracts

  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.16. LIBERTÉ D'EXPRESSION ET DE COMMUNICATION
  • 4.16.2. Liberté d'expression et de communication (hors des médias)
  • 4.16.2.1. Liberté individuelle de parler, écrire et imprimer librement

Aux termes de l'article 11 de la Déclaration de 1789 : " La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l'homme : tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à répondre de l'abus de cette liberté dans les cas déterminés par la loi ". L'article 34 de la Constitution dispose : " La loi fixe les règles concernant... les droits civiques et les garanties fondamentales accordées aux citoyens pour l'exercice des libertés publiques ". Sur ce fondement, il est loisible au législateur d'édicter des règles concernant l'exercice du droit de libre communication et de la liberté de parler, d'écrire et d'imprimer ; il lui est également loisible, à ce titre, d'instituer des incriminations réprimant les abus de l'exercice de la liberté d'expression et de communication qui portent atteinte à l'ordre public et aux droits des tiers. Toutefois, la liberté d'expression et de communication étant d'autant plus précieuse que son exercice est une condition de la démocratie et l'une des garanties du respect des autres droits et libertés, les atteintes portées à l'exercice de cette liberté doivent être nécessaires, adaptées et proportionnées à l'objectif poursuivi.
Une disposition législative ayant pour objet de " reconnaître " un crime de génocide ne saurait, en elle-même, être revêtue de la portée normative qui s'attache à la loi. Toutefois, l'article 1er de la loi visant à réprimer la contestation de l'existence des génocides reconnus par la loi réprime la contestation ou la minimisation de l'existence d'un ou plusieurs crimes de génocide " reconnus comme tels par la loi française ". En réprimant ainsi la contestation de l'existence et de la qualification juridique de crimes qu'il aurait lui-même reconnus et qualifiés comme tels, le législateur a porté une atteinte inconstitutionnelle à l'exercice de la liberté d'expression et de communication.

(2012-647 DC, 28 Februar 2012, cons. 5, 6, Journal officiel du 2 mars 2012, page 3988, texte n° 2)
  • 10. PARLEMENT
  • 10.3. FONCTION LEGISLATIVE
  • 10.3.10. Qualité de la loi
  • 10.3.10.6. Exigence de normativité de la loi

Aux termes de l'article 6 de la Déclaration de 1789 : " La loi est l'expression de la volonté générale... ". Il résulte de cet article comme de l'ensemble des autres normes de valeur constitutionnelle relatives à l'objet de la loi que, sous réserve de dispositions particulières prévues par la Constitution, la loi a pour vocation d'énoncer des règles et doit par suite être revêtue d'une portée normative.
Une disposition législative ayant pour objet de " reconnaître " un crime de génocide ne saurait, en elle-même, être revêtue de la portée normative qui s'attache à la loi. Toutefois, l'article 1er de la loi visant à réprimer la contestation de l'existence des génocides reconnus par la loi réprime la contestation ou la minimisation de l'existence d'un ou plusieurs crimes de génocide " reconnus comme tels par la loi française " et n'est donc pas dépourvu de portée normative.

(2012-647 DC, 28 Februar 2012, cons. 4, 6, Journal officiel du 2 mars 2012, page 3988, texte n° 2)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.8. SENS ET PORTÉE DE LA DÉCISION
  • 11.8.1. Dispositions de loi dépourvues d'effet normatif
  • 11.8.1.2. Exigence de normativité de la loi

Aux termes de l'article 6 de la Déclaration de 1789 : " La loi est l'expression de la volonté générale... ". Il résulte de cet article comme de l'ensemble des autres normes de valeur constitutionnelle relatives à l'objet de la loi que, sous réserve de dispositions particulières prévues par la Constitution, la loi a pour vocation d'énoncer des règles et doit par suite être revêtue d'une portée normative.

(2012-647 DC, 28 Februar 2012, cons. 4, Journal officiel du 2 mars 2012, page 3988, texte n° 2)
À voir aussi sur le site : Communiqué de presse, Commentaire, Dossier documentaire, Législation consolidée, Proposition de loi adoptée le 23 janvier 2012 (T.A. n° 52), Dossier complet sur le site de l'Assemblée nationale, Dossier complet sur le site du Sénat, Saisine par 60 sénateurs, Saisine par 60 députés, Observations du Gouvernement, Réplique par 60 députés, Références doctrinales.