Entscheidung

Entscheidung Nr. 2014-427 QPC vom 14. November 2014

Herr Mario S. [Auslieferung eingebürgerter französischer Staatsbürger]

Der Verfassungsrat ist am 9. September 2014 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Kassationsgerichtshof (Strafsenat, Beschluss Nr. 4895 vom 3. September 2014) bezüglich einer von Herrn Mario S. erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit von Ziffer 1o von Artikel 696-4 der Strafprozessordnung mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf die Strafprozessordnung;

Unter Bezugnahme auf das Gesetz Nr. 2004-204 vom 9. März 2004 zur Anpassung der Justiz an die Entwicklung der Kriminalität;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Premierministers, eingetragen am 1. Oktober 2014;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr RA Jérôme Rousseau, beim Staatsrat und beim Kassationsgerichtshof zugelassener Anwalt, für den Antragsteller und Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2014 gehört worden sind;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass gemäß der Vorschrift von Ziffer 1o von Artikel 696-4 der Strafprozessordnung in der Fassung des oben genannten Gesetzes vom 9. März 2004 eine Auslieferung verweigert wird, „wenn die auszuliefernde Person die französische Staatsangehörigkeit besitzt, wobei für die Würdigung dieser Frage die Staatsangehörigkeit zu dem Zeitpunkt maßgeblich ist, an dem die Straftat, aufgrund derer um die Auslieferung ersucht wird, begangen wurde“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller behauptet, diese Vorschrift nehme eine gleichheitswidrige Unterscheidung zwischen Franzosen vor, indem sie vorsehe, dass bei der Anwendung des Grundsatzes, gemäß welchem Frankreich seine Staatsbürger nicht ausliefert, die Staatsangehörigkeit der auszuliefernden Person zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat, wegen derer die Auslieferung beantragt wird, maßgeblich sei;

  3. In Erwägung dessen, dass Gegenstand der vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit folgender Satzteil von Ziffer 1o des Artikels 696-4 der Strafprozessordnung ist: „wobei für die Würdigung dieser Frage die Staatsangehörigkeit zu dem Zeitpunkt maßgeblich ist, an dem die Straftat, aufgrund derer um die Auslieferung ersucht wird, begangen wurde“;

  4. In Erwägung dessen, dass Artikel 6 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 verkündet: „Das Gesetz […] soll für alle gleich sein, mag es beschützen, mag es bestrafen“; dass das Gleichheitsgebot dem Gesetzgeber weder verbietet, verschiedene Sachverhalte verschieden zu regeln, noch aus Gründen des Allgemeininteresses vom Gleichheitssatz abzuweichen, solange in beiden Fällen die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in direktem Zusammenhang mit dem Zweck des Gesetzes steht, welches sie begründet;

  5. In Erwägung dessen, dass der Absatz 1 von Artikel 696-2 der Strafprozessordnung bestimmt: „Die französische Regierung darf ausländischen Regierungen auf deren Ersuchen hin jede Person ohne französische Staatsangehörigkeit ausliefern, gegen die im ersuchenden Staat ein Strafverfahren eingeleitet oder eine Verurteilung durch die Gerichte dieses Staates ausgesprochen wurde und die sich auf dem Staatsgebiet Frankreichs aufhält“; dass der Artikel 696-4 der Strafprozessordnung die Fälle benennt, in denen eine Auslieferung verwehrt wird; dass die Vorschrift von Ziffer 1o dieses Artikels vorsieht, dass die französische Staatsbürgerschaft einer Person deren Auslieferung entgegensteht und dass für die Würdigung der Frage der Staatsangehörigkeit der Zeitpunkt maßgeblich ist, an dem die Straftat, aufgrund derer die Auslieferung beantragt wird, begangen wurde;

  6. In Erwägung dessen, dass der Gesetzgeber mit dem Verbot der Auslieferung französischer Staatsangehöriger diesen das Recht zuerkannt hat, nicht zum Zwecke der Strafverfolgung oder Verurteilung wegen einer Straftat an ausländische Behörden ausgeliefert zu werden; dass die Ungleichbehandlung im Rahmen der Durchführung dieses Rechts - je nachdem, ob die betreffende Person zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat, wegen derer um die Auslieferung ersucht wird, die französische Staatsangehörigkeit besaß oder nicht - auf einer unterschiedlichen Sachlage mit unmittelbarem Bezug zum Zweck des Gesetzes beruht; dass der Gesetzgeber auch verhindern wollte, dass die Vorschriften über den Erwerb der Staatsangehörigkeit missbraucht werden, um einer Auslieferung zu entgehen; dass die angegriffene Vorschrift, indem sie vorsieht, dass für die Würdigung der Frage der Staatsangehörigkeit der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, der Zeitpunkt der Begehung der Straftat maßgeblich ist, daher den Gleichheitssatz nicht verletzt;

  7. In Erwägung dessen, dass die angegriffene Vorschrift, welche auch nicht gegen andere von der Verfassung verbürgte Rechte und Freiheiten verstößt, für verfassungsgemäß erklärt wird,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Der Satzteil von Ziffer 1o des Artikels 696-4 der Strafprozessordnung „wobei für die Würdigung dieser Frage die Staatsangehörigkeit zu dem Zeitpunkt maßgeblich ist, an dem die Straftat, aufgrund derer um die Auslieferung ersucht wird, begangen wurde“ ist verfassungskonform.

Artikel 2 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 13. November 2014, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Nicole BELLOUBET, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Hubert HAENEL und Nicole MAESTRACCI.

Veröffentlicht am 14. November 2014.

Les abstracts

  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.4. Respect du principe d'égalité : différence de traitement justifiée par une différence de situation
  • 5.1.4.5. Droit pénal et procédure pénale

En interdisant l'extradition des nationaux français, le législateur a reconnu à ces derniers le droit de n'être pas remis à une autorité étrangère pour les besoins de poursuites ou d'une condamnation pour une infraction pénale. La différence de traitement dans l'application de cette protection, selon que la personne avait ou non la nationalité française à l'époque de l'infraction pour laquelle l'extradition est requise, est fondée sur une différence de situation en rapport direct avec l'objet de la loi. Le législateur a également entendu faire obstacle à l'utilisation des règles relatives à l'acquisition de la nationalité pour échapper à l'extradition. Par suite, en prévoyant que la nationalité de la personne dont l'extradition est demandée s'apprécie à l'époque de l'infraction, les dispositions du 1° de l'article 696-4 du CPP ne méconnaissent pas le principe d'égalité devant la loi.

(2014-427 QPC, 14 November 2014, cons. 5, 6, JORF n°0265 du 16 novembre 2014 page 19331, texte n° 51)
  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.5. Considérations d'intérêt général justifiant une différence de traitement
  • 5.1.5.5. Droit civil
  • 5.1.5.5.1. Droit de la nationalité

En interdisant l'extradition des nationaux français, le législateur a reconnu à ces derniers le droit de n'être pas remis à une autorité étrangère pour les besoins de poursuites ou d'une condamnation pour une infraction pénale. La différence de traitement dans l'application de cette protection, selon que la personne avait ou non la nationalité française à l'époque de l'infraction pour laquelle l'extradition est requise, est fondée sur une différence de situation en rapport direct avec l'objet de la loi. Le législateur a également entendu faire obstacle à l'utilisation des règles relatives à l'acquisition de la nationalité pour échapper à l'extradition. Par suite, en prévoyant que la nationalité de la personne dont l'extradition est demandée s'apprécie à l'époque de l'infraction, les les dispositions du 1° de l'article 696-4 du code de procédure pénale ne méconnaissent pas le principe d'égalité devant la loi.

(2014-427 QPC, 14 November 2014, cons. 5, 6, JORF n°0265 du 16 novembre 2014 page 19331, texte n° 51)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.6. QUESTION PRIORITAIRE DE CONSTITUTIONNALITÉ
  • 11.6.3. Procédure applicable devant le Conseil constitutionnel
  • 11.6.3.5. Détermination de la disposition soumise au Conseil constitutionnel

Saisi d'une QPC visant le 1° de l'article 696-4 du code de procédure pénale, le Conseil constitutionnel estime qu'elle porte sur les mots « cette dernière étant appréciée à l'époque de l'infraction pour laquelle l'extradition est requise » figurant à ce 1°.

(2014-427 QPC, 14 November 2014, cons. 3, JORF n°0265 du 16 novembre 2014 page 19331, texte n° 51)
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