Entscheidung

Entscheidung Nr. 2013-317 QPC vom 24. Mai 2013

Französischer Dachverband der Zementindustrie & andere [Mindestanteil an Holzmaterialien in bestimmten Neubauten]

Der Verfassungsrat ist am 18. März 2013 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Staatsrat (Beschluss Nr. 361866 vom 18. März 2013) bezüglich einer von dem Französischen Dachverband der Zementindustrie und vom Verband der Betonindustrie erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit von Artikel L. 224-1 Absatz V des Umweltgesetzbuches mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf das Umweltgesetzbuch;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die für den Französischen Dachverband der Zementindustrie und den Verband der Betonindustrie von der Rechtsanwaltskanzlei Alain Monod - Bertrand Colin, beim Staatsrat und beim Kassationsgerichtshof zugelassene Anwälte, eingereichte Stellungnahme, eingetragen am 9. April 2013;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Premierministers, eingetragen am 9. April 2013;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr RA Alain Monod für den Französischen Dachverband der Zementindustrie und Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2013 gehört worden sind;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches Teil des Titels II (Überschrift „Die Luft und die Atmosphäre“) von Buch II des Umweltgesetzbuches ist; dass der Absatz V dieses Artikels bestimmt: „Zur Erreichung der in diesem Titel formulierten Ziele legt ein Dekret nach Stellungnahme des Staatsrates die Voraussetzungen fest, gemäß welchen bestimmte Neubauten einen Mindestanteil an Holzmaterialen enthalten müssen“;

  2. In Erwägung dessen, dass die Antragsteller vortragen, die Vorschrift des Artikels L. 224-1 Absatz V des Umweltgesetzbuches verstoße gegen Artikel 7 der Umweltcharta sowie gegen Artikel 4 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789;

  • ÜBER DIE RÜGE, ARTIKEL 7 DER UMWELTCHARTA SEI VERLETZT:
  1. In Erwägung dessen, dass die Antragsteller behaupten, der Gesetzgeber habe das von Artikel 7 der Umweltcharta geschützte Recht der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Ausarbeitung öffentlich-rechtlicher Beschlüsse mit Auswirkungen auf die Umwelt verletzt, da eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Ausarbeitung des von der angegriffenen Vorschrift genannten Dekretes nicht vorgesehen sei;

  2. In Erwägung dessen, dass der erste Absatz von Artikel 61-1 der Verfassung bestimmt: „Wird bei einem vor Gericht anhängigen Rechtsstreit vorgebracht, eine gesetzliche Bestimmung verletze die von der Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten, kann nach Vorlage durch den Staatsrat oder den Kassationsgerichtshof der Verfassungsrat zu dieser Frage angerufen werden. Der Staatsrat oder der Kassationsgerichtshof äußert sich binnen einer festgelegten Frist“; dass die Behauptung einer Verkennung des Umfangs der Zuständigkeit des Gesetzgebers durch diesen selbst nur dann zur Bekräftigung einer vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit vorgebracht werden kann, wenn eines der Rechte oder eine der Freiheiten, die von der Verfassung garantiert werden, berührt ist;

  3. In Erwägung dessen, dass Artikel 7 der Umweltcharta lautet: „Jedermann hat das Recht, unter den gesetzlich bestimmten Bedingungen und Beschränkungen, Zugang zu den Informationen, über welche die staatlichen Behörden verfügen, zu erhalten und an der Ausarbeitung öffentlicher Beschlüsse mitzuwirken, die einen Einfluss auf die Umwelt haben“; dass diese Vorschrift zu den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zählt; dass es dem Gesetzgeber und, im Rahmen des Gesetzes, den Behörden obliegt, unter Einhaltung der von der Umweltcharta verkündeten Grundsätze die Anwendungsmodalitäten dieser Vorschriften festzulegen;

  4. In Erwägung dessen, dass der Absatz V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches vorsieht, dass zur Erreichung der im Titel II von Buch II des gesetzesrechtlichen Teils des Umweltgesetzbuches vorgesehenen Ziele ein Dekret nach Stellungnahme des Staatsrates die Voraussetzungen festlegt, gemäß welchen bestimmte Neubauten einen Mindestanteil an Holzmaterialen enthalten müssen; dass diese Ziele in Artikel L. 220-1 Absatz 1 des Umweltgesetzbuches aufgeführt werden, welcher bestimmt: „Der Staat und dessen öffentlich-rechtliche Anstalten, die Gebietskörperschaften und deren öffentlich-rechtliche Anstalten, sowie die Privatpersonen tragen, jeder in seinem Zuständigkeitsbereich und soweit er Verantwortung trägt, zu einer Politik bei, deren Ziel die Umsetzung des jedermann zustehenden Rechtes ist, Luft einzuatmen, welche die Gesundheit nicht schädigt“; dass der zweite Absatz dieses Artikels weiter ausführt: „Diese dem Gemeinwohl dienende Politik bedeutet, Luftverschmutzung vorzubeugen, sie zu überwachen, zu verringern oder zu beseitigen, die Luftqualität zu bewahren und, zu diesen Zwecken, Energie zu sparen und vernünftig zu verbrauchen“;

  5. In Erwägung dessen, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung der angegriffenen Vorschrift den Erlass technischer Normen im Bauwesen ermöglichen wollte, deren Zweck darin besteht, die Verwendung von Holz bei Neubauten vorzuschreiben, um damit einen Anstieg der Holzproduktion zu fördern, woraus sich eine Stärkung des Kampfes gegen Luftverschmutzung ergeben soll; dass die Forderung nach solchen technischen Normen für sich genommen nur einen mittelbaren Einfluss auf die Umwelt haben kann; dass der Gesetzgeber im vorliegenden Fall daher nicht verpflichtet war, im Rahmen seiner Entscheidung den Grundsatz der Beteiligung der Öffentlichkeit zu befolgen; dass die Rüge, der Absatz V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches verletze die Vorgaben aus Artikel 7 der Umweltcharta, zurückgewiesen werden muss;

  • ÜBER DIE RÜGE, ARTIKEL 4 DER ERKLÄRUNG VON 1789 SEI VERLETZT:
  1. In Erwägung dessen, dass die Antragsteller die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe die Unternehmerfreiheit verletzt, indem er den Verordnungsgeber ermächtige, die Bedingungen festzulegen, gemäß welchen bestimmte Neubauten einen Mindestanteil an Holzmaterialen enthalten müssen, ohne dass dabei eine Begrenzung, insbesondere bezüglich der Bestimmung des Mindestanteils an zu verwendendem Holz, vorgesehen wäre;

  2. In Erwägung dessen, dass Artikel 4 der Erklärung von 1789 verkündet: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden“; dass es dem Gesetzgeber freisteht, auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Vorgaben oder des Allgemeinwohls Beschränkungen der sich aus Artikel 4 der Erklärung von 1789 ergebenden Unternehmerfreiheit vorzusehen, unter der Voraussetzung, dass dadurch keine im Hinblick auf das verfolgte Ziel unverhältnismäßigen Eingriffe entstehen;

  3. In Erwägung dessen, dass der Absatz V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches, indem er der Regierung eine allgemeine Zuständigkeit einräumt, um die Voraussetzungen festzulegen, nach denen „bestimmte Neubauten einen Mindestanteil an Holzmaterialen enthalten müssen“, einen Eingriff in die Vorgaben aus Artikel 4 der Erklärung von 1789, insbesondere in die Unternehmerfreiheit, vornimmt, der nicht durch einen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem verfolgten Zweck stehenden Grund von Allgemeininteresse gerechtfertigt ist; dass der Absatz V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches daher für verfassungswidrig erklärt werden muss;

  4. In Erwägung dessen, dass Artikel 62 Absatz 2 der Verfassung bestimmt: „Eine gemäß Artikel 61-1 für verfassungswidrig erklärte Bestimmung ist ab der Veröffentlichung der Entscheidung des Verfassungsrates oder zu einem in dieser Entscheidung festgesetzten späteren Zeitpunkt aufgehoben. Der Verfassungsrat bestimmt die Bedingungen und Grenzen einer möglichen Anfechtung der Folgen der betreffenden Bestimmung“; dass wenngleich grundsätzlich die Partei, welche die vorrangige Frage zur Verfassungsmäßigkeit erhoben hat, einen Vorteil aus der Verfassungswidrigkeitserklärung erlangen soll und die für verfassungswidrig erklärte Bestimmung in zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsrates anhängigen Gerichtsverfahren nicht mehr angewendet werden darf, so behält die Vorschrift des Artikels 62 der Verfassung dem Verfassungsrat vor, den Zeitpunkt festzulegen, an dem die Aufhebung der verfassungswidrigen Norm eintritt, und zu bestimmen, ob und auf welche Art und Weise Rechtsfolgen angefochten werden können, die vor der Verfassungswidrigkeitserklärung auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschrift eingetreten sind;

  5. In Erwägung dessen, dass die Verfassungswidrigkeitserklärung des Absatzes V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches mit der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung wirksam wird; dass diese Aufhebung gegenüber allen zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren wirksam ist,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Der Absatz V von Artikel L. 224-1 des Umweltgesetzbuches ist verfassungswidrig.

Artikel 2 - Die in Artikel 1 ausgesprochene Verfassungswidrigkeitserklärung wird ab der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung gemäß den in der Erwägung Nr. 12 festgelegten Voraussetzungen wirksam.

Artikel 3 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 23. Mai 2013, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Nicole BELLOUBET, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Hubert HAENEL und Nicole MAESTRACCI.

Veröffentlicht am 24. Mai 2013.

Les abstracts

  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.11. ENVIRONNEMENT
  • 4.11.6. Principes d'information et de participation
  • 4.11.6.2. Champ d'application du principe

Le paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement prévoit que, pour répondre aux objectifs du titre II du livre II de la partie législative de ce même code, un décret en Conseil d'État fixe les conditions dans lesquelles certaines constructions nouvelles doivent comporter une quantité minimale de matériaux en bois. Ces objectifs sont définis par le premier alinéa de l'article L. 220-1 du même code en vertu duquel " l'État et ses établissements publics, les collectivités territoriales et leurs établissements publics ainsi que les personnes privées concourent, chacun dans le domaine de sa compétence et dans les limites de sa responsabilité, à une politique dont l'objectif est la mise en œuvre du droit reconnu à chacun à respirer un air qui ne nuise pas à sa santé ". Cet article précise, en son second alinéa, que " cette action d'intérêt général consiste à prévenir, à surveiller, à réduire ou à supprimer les pollutions atmosphériques, à préserver la qualité de l'air et, à ces fins, à économiser et à utiliser rationnellement l'énergie ".
Par les dispositions contestées du paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement, le législateur a entendu permettre l'adoption de normes techniques dans le bâtiment destinées à imposer l'utilisation de bois dans les constructions nouvelles, afin de favoriser une augmentation de la production de bois dont il est attendu une amélioration de la lutte contre la pollution atmosphérique. L'exigence de telles normes techniques n'est, en elle-même, susceptible de n'avoir qu'une incidence indirecte sur l'environnement. Par suite, le législateur n'était pas tenu de soumettre la décision de fixation de ces normes au principe de participation du public. Le grief tiré de ce que le paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement méconnaîtrait les exigences de l'article 7 de la Charte de l'environnement doit être écarté.

(2013-317 QPC, 24 Mai 2013, cons. 6, 7, JORF du 29 mai 2013 page 8854, texte n° 120)
  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.21. LIBERTÉS ÉCONOMIQUES
  • 4.21.2. Liberté d'entreprendre
  • 4.21.2.4. Champ d'application du principe

En donnant compétence, de façon générale, au Gouvernement pour fixer les conditions dans lesquelles " certaines constructions nouvelles doivent comporter une quantité minimale de matériaux en bois ", le paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement a porté aux exigences découlant de l'article 4 de la Déclaration de 1789, notamment à la liberté d'entreprendre, une atteinte qui n'est pas justifiée par un motif d'intérêt général en lien direct avec l'objectif poursuivi.

(2013-317 QPC, 24 Mai 2013, cons. 10, JORF du 29 mai 2013 page 8854, texte n° 120)
  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.21. LIBERTÉS ÉCONOMIQUES
  • 4.21.2. Liberté d'entreprendre
  • 4.21.2.5. Conciliation du principe
  • 4.21.2.5.2. Avec l'intérêt général

Aux termes de l'article 4 de la Déclaration de 1789 : " La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui ; ainsi, l'exercice des droits naturels de chaque homme n'a de bornes que celles qui assurent aux autres membres de la société la jouissance de ces mêmes droits. Ces bornes ne peuvent être déterminées que par la loi ". Il est loisible au législateur d'apporter à la liberté d'entreprendre, qui découle de l'article 4 de la Déclaration de 1789, des limitations liées à des exigences constitutionnelles ou justifiées par l'intérêt général, à la condition qu'il n'en résulte pas d'atteintes disproportionnées au regard de l'objectif poursuivi.
En donnant compétence, de façon générale, au Gouvernement pour fixer les conditions dans lesquelles " certaines constructions nouvelles doivent comporter une quantité minimale de matériaux en bois ", le paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement a porté aux exigences découlant de l'article 4 de la Déclaration de 1789, notamment à la liberté d'entreprendre, une atteinte qui n'est pas justifiée par un motif d'intérêt général en lien direct avec l'objectif poursuivi.

(2013-317 QPC, 24 Mai 2013, cons. 9, 10, JORF du 29 mai 2013 page 8854, texte n° 120)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.8. SENS ET PORTÉE DE LA DÉCISION
  • 11.8.6. Portée des décisions dans le temps
  • 11.8.6.2. Dans le cadre d'un contrôle a posteriori (article 61-1)
  • 11.8.6.2.2. Abrogation
  • 11.8.6.2.2.1. Abrogation à la date de la publication de la décision

La déclaration d'inconstitutionnalité du paragraphe V de l'article L. 224-1 du code de l'environnement aux termes duquel " pour répondre aux objectifs du présent titre un décret en Conseil d'État fixe les conditions dans lesquelles certaines constructions nouvelles doivent comporter une quantité minimale de matériaux en bois " prend effet à compter de la publication de la présente décision. Elle est applicable à toutes les affaires non jugées définitivement à cette date.

(2013-317 QPC, 24 Mai 2013, cons. 12, JORF du 29 mai 2013 page 8854, texte n° 120)
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