Entscheidung

Entscheidung Nr. 2012-279 QPC vom 5. Oktober 2012

Herr Jean-Claude P. [Landfahrer-Entscheidung II]

Der Verfassungsrat ist am 17. Juli 2012 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Staatsrat (Beschluss Nr. 359223 vom 17. Juli 2012) bezüglich einer von Herrn Jean-Claude P. erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit der Artikel 2 bis 11 des Gesetzes Nr. 69-3 vom 3. Januar 1969 über Reisegewerbe und das gegenüber Personen anwendbare Recht, die ohne festen Wohnsitz in Frankreich unterwegs sind, mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf das Gesetz Nr. 69-3 vom 3. Januar 1969 über Reisegewerbe und das gegenüber Personen anwendbare Recht, welche ohne festen Wohnsitz in Frankreich unterwegs sind;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die für den Antragsteller von Herrn RA Olivier Le Mailloux, Rechtsanwalt der Anwaltskammer von Marseille, eingereichten Stellungnahmen, eingetragen am 27. Juli 2012 und am 3. September 2012;

Unter Bezugnahme auf die für die als Nebenintervenienten auftretende Vereinigung „France liberté voyage“ von Herrn RA Henri Braun, Rechtsanwalt der Anwaltskammer von Paris, eingereichte Stellungnahme, eingetragen am 2. August 2012;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Premierministers, eingetragen am 31. August 2012;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr RA Le Mailloux für den Antragsteller, Herr RA Braun für die als Nebenintervenienten auftretende Vereinigung sowie Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2012 gehört worden sind;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel 2 des oben genannten Gesetzes vom 3. Januar 1969 bestimmt: „Personen, die nie länger als sechs Monate einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, benötigen ein besonderes Reisedokumentenbuch, welches von den Behörden ausgestellt wird;
    „Personen, welche die in Absatz 1 genannten Personen begleiten oder deren Verrichtungsgehilfen sind, benötigen, sofern sie das sechzehnte Lebensjahr vollendet und in Frankreich seit mehr als sechs Monaten ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort sind, ebenfalls ein solches Reisedokumentenbuch;
    „Jeder Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass seine Beauftragten, die einer solchen Reisedokumentenpflicht unterliegen, tatsächlich ein derartiges Dokument besitzen“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Artikel 3 dieses Gesetzes vorschreibt: „Andere als die von Artikel 2 genannten Personen, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben und seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben, benötigen, wenn sie in Frankreich umherfahren wollen, eines der von den Artikeln 4 und 5 genannten Reisedokumente, sofern besagte Personen dauerhaft in einem Fahrzeug, einem Anhänger oder einer anderen beweglichen Unterkunft wohnen“;

  3. In Erwägung dessen, dass der Artikel 4 des Gesetzes lautet: „Beziehen die in Artikel 3 genannten Personen, insbesondere aufgrund einer lohnabhängigen Tätigkeit, regelmäßige Einkünfte, die ihnen normale Lebensbedingungen ermöglichen, wird besagten Personen ein Reisedokumentenbuch ausgestellt, welches regelmäßig, frühestens jedoch alle drei Monate, von der zuständigen Behörde mit einem Sichtvermerk versehen wird. Ein entsprechendes Buch wird auch den gegenüber diesen Personen Unterhaltsberechtigten ausgehändigt“;

  4. In Erwägung dessen, dass der Artikel 5 dieses Gesetzes ausführt: „Erfüllen die in Artikel 3 genannten Personen die Voraussetzungen nach Artikel 4 nicht, wird ihnen ein Reisedokumentenheft ausgestellt, welches alle drei Monate zu einem festen Datum von der zuständigen Behörde mit einem Sichtvermerk versehen wird;
    „Wer ohne ein solches Heft von Ort zu Ort reist, wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und einem Jahr bestraft“;

  5. In Erwägung dessen, dass der Artikel 6 desselben Gesetzes vorschreibt: „Diese Reisedokumente können aus dem Ausland einreisenden Personen nur ausgestellt werden, wenn diese Personen den Nachweis ihrer Identität erbringen;

„Die Gültigkeitsdauer des besonderen Reisedokumentenbuches nach Artikel 2 sowie des Heftes und des Buches nach Artikel 3, 4 und 5 muss regelmäßig von der zuständigen Behörde verlängert werden“;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel 7 des Gesetzes lautet: „Wer eines der in den vorgehenden Artikeln genannten Reisedokumente beantragt, hat anzugeben, in welcher Gemeinde er gemeldet zu sein wünscht;
    „Die Entscheidung über die Anmeldung in der Gemeinde erfolgt durch den Präfekten oder den Unterpräfekten nach begründeter Stellungnahme des Bürgermeisters“;

  2. In Erwägung dessen, dass Artikel 8 des Gesetzes bestimmt: „Die Zahl der in einer Gemeinde gemeldeten Inhaber solcher Reisedokumente ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort darf 3 % der bei der letzten Volkszählung ermittelten Bevölkerungszahl der Gemeinde nicht überschreiten;
    „Ist dieser Anteil von 3 % erreicht, fordert der Präfekt oder der Unterpräfekt den Antragstellenden auf, eine andere Gemeinde für dessen Anmeldung zu benennen;
    „Gemäß den von einem Dekret nach Stellungnahme des Staatsrates festgelegten Voraussetzungen kann der Präfekt Ausnahmen von der in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Vorschrift zulassen, insbesondere um das Zusammenleben von Familien zu gewährleisten“;

  3. In Erwägung dessen, dass der Artikel 9 desselben Gesetzes festlegt: „Die Wahl einer Anmeldegemeinde gilt für eine Mindestdauer von zwei Jahren. Ausnahmen sind in Fällen, in denen außergewöhnlich schwerwiegende Umstände dies rechtfertigen, zulässig. Einem Antrag auf Wechsel der Gemeinde müssen die Nachweise beigefügt sein, welche die Bindung des Antragstellers zu einer anderen, von diesem angegebenen Gemeinde belegen“;

  4. In Erwägung dessen, dass der Artikel 10 des Gesetzes vorschreibt: „Gemäß den von einem Dekret nach Stellungnahme des Staatsrates festgelegten Voraussetzungen treten infolge der in den vorgehenden Artikeln vorgesehenen Anmeldung ganz oder zum Teil dieselben Rechtsfolgen ein, welche mit dem Wohnsitz, dem Aufenthaltsort oder der Arbeitsstätte einhergehen, betreffend:
    „Eheschließungen;
    „die Eintragung in das Wählerverzeichnis, nach Antrag des Betreffenden und sofern dieser seit drei Jahren ununterbrochen in derselben Gemeinde gemeldet ist;
    „die sich aus dem Steuerrecht ergebenden Pflichten;
    „die sich aus dem Sozialversicherungs- und dem Arbeitslosenrecht ergebenden Pflichten;
    „die Ableistung des Wehrdienstes.
    „Die Anmeldung in einer Gemeinde bedeutet nicht die Feststellung eines festen und bestimmten Wohnsitzes. Mit dieser Anmeldung werden keine Lasten des Staates auf die Gemeinden übertragen, insbesondere bezüglich der Kosten der Sozialhilfe“;

  5. In Erwägung dessen, dass Artikel 11 des Gesetzes bestimmt: „Dekrete nach Stellungnahme des Staatsrates legen fest: die Modalitäten für die Durchführung der Vorschriften der Titel I und II, sowie, insbesondere, die Voraussetzungen für die Ausstellung und Verlängerung der Reisedokumente sowie die darin enthaltenen Vermerke, die Modalitäten für die Personenkontrollen zur Feststellung, ob die Inhaber der in den Artikeln 2, 3, 4 und 5 genannten Reisedokumente und die Minderjährigen, gegenüber denen besagte Personen die elterliche Sorge ausüben, ihren sich aus dem geltenden Gesundheitsrecht ergebenden Verpflichtungen tatsächlich nachgekommen sind, die Voraussetzungen, nach denen der Bürgermeister gemäß Artikel 7 eine begründete Stellungnahme abgibt, sowie die Voraussetzungen, gemäß welchen die Inhaber von Reisedokumenten die nach Artikel 9 eine Ausnahme rechtfertigenden Nachweise erbringen“;

  6. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller und die als Nebenintervenient auftretende Vereinigung die von den Artikeln 2 bis 6 geschaffenen Regelungen über die Reisedokumente, sowie die Vorschriften über die Anmeldegemeinde nach Artikel 7 bis 10 anfechten;

  • ÜBER DEN ANWENDBAREN PRÜFUNGSMASSSTAB:
  1. In Erwägung dessen, dass, zum einen, Artikel 1 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 verkündet: „Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein“; dass Artikel 1 der Verfassung bestimmt: „Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik. Sie gewährleistet die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Herkunft, Rasse oder Religion […]“;

  2. In Erwägung dessen, dass gemäß Artikel 6 der Erklärung von 1789 das Gesetz „für alle gleich sein [soll], mag es beschützen, mag es bestrafen“; dass das Gleichheitsgebot dem Gesetzgeber weder verbietet, verschiedene Sachverhalte verschieden zu regeln, noch aus Gründen des Allgemeininteresses vom Gleichheitssatz abzuweichen, solange in beiden Fällen die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in direktem Zusammenhang mit dem Zweck des Gesetzes steht, welches sie begründet;

  3. In Erwägung dessen, dass, zum anderen, gemäß Artikel 34 der Verfassung das Gesetz die den Bürgern zur Ausübung ihrer Grundfreiheiten gewährten Grundrechte regelt; dass es im Rahmen dieser Aufgabe dem Gesetzgeber obliegt, einerseits den Schutz der Grundrechte und andererseits den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, ohne welche die Ausübung der Grundrechte nicht gewährleistet werden kann, miteinander in Einklang zu bringen;

  4. In Erwägung dessen, dass Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, welche die Ausübung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte - zu denen das Recht der Freizügigkeit als Ausdruck der von den Artikeln 2 und 4 der Erklärung von 1789 geschützten Freiheit der Person zählt - einschränken können, durch die Notwendigkeit des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet und im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sein müssen;

  • ÜBER DIE REISEDOKUMENTE:
  1. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller und die als Nebenintervenient auftretende Vereinigung eine gegen den Gleichheitssatz verstoßende Ungleichbehandlung behaupten, da die Reisedokumentenpflicht nur für diejenigen Personen gelte, die sich seit mehr als sechs Monaten ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in Frankreich aufhalten; dass im Übrigen die Regelungen über diese Reisedokumente eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung schafften und einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Freizügigkeit vornähmen;
  • Bezüglich der Reisedokumente und der für diese geltenden Vorschriften über Sichtvermerke betreffend die Personen, die ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in Frankreich von Ort zu Ort reisen:
  1. In Erwägung dessen, dass die Artikel 2 bis 6 Vorschriften über die Reisedokumente enthalten, welche Personen benötigen, die nie länger als sechs Monate einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben; dass aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 des oben genannten Gesetzes vom 3. Januar 1969 hervorgeht, dass diese Vorschriften zum einen für „Personen, die nie länger als sechs Monate einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben“, und für Personen über sechzehn Jahre, welche die vorgenannten Personen begleiten oder deren Verrichtungsgehilfen sind, gelten, sowie zum anderen für andere als die vorgenannten Personen gelten, „die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben und seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben“ und „dauerhaft in einem Fahrzeug, einem Anhänger oder einer anderen beweglichen Unterkunft wohnen“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Gesetzgeber mit Einführung dieser Pflicht besagter Personen, ein Reisedokument zu besitzen, für zivil-, sozial-, verwaltungsrechtliche und gerichtliche Zwecke die Feststellung der Identität und die Ermittlung derjenigen Personen ermöglichen wollte, die an keinem für eine gewisse Dauer bestehenden festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort angetroffen werden können, und für die gleichen Zwecke eine Möglichkeit, mit diesen Personen in Verbindung zu treten sicherstellen wollte; dass diese Vorschriften auf der unterschiedlichen Sachlage beruhen, in der sich Personen - unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Herkunft - befinden, je nachdem, ob sie für eine Dauer von mehr als sechs Monaten über einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort verfügen; dass damit die Ungleichbehandlung durch diese Vorschriften auf objektiven und zweckmäßigen Kriterien beruht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck stehen; dass diese Vorschriften keine Ungleichbehandlung aufgrund der ethnischen Herkunft der Betroffenen begründet; dass der Gesetzgeber infolgedessen das Gleichheitsgebot nicht verletzt hat, als er den betreffenden Personen auferlegt hat, ein Reisedokument zu besitzen; dass der aufgrund dieser Vorschriften erfolgende Eingriff in die Freizügigkeit zum Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt und im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig ist;

  • Bezüglich der Artikel 2 und 3:
  1. In Erwägung dessen, dass gemäß Artikel 2 des Gesetzes vom 3. Januar 1969 Personen, die nie länger als sechs Monate einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, und Personen, welche diese begleiten oder deren Verrichtungsgehilfen sind - sofern sie das sechzehnte Lebensjahr vollendet und in Frankreich seit mehr als sechs Monaten ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort sind - ein besonderes Reisedokumentenbuch benötigen; dass der Artikel 3 vorschreibt, dass andere als die vorgenannten Personen, die seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben und dauerhaft in einem Fahrzeug, einem Anhänger oder einer anderen beweglichen Unterkunft wohnen, entweder ein Reisedokumentenbuch oder ein Reisedokumentenheft besitzen müssen, um in Frankreich umherfahren zu dürfen; dass aus der Vorschrift von Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 3 des Gesetzes hervorgeht, dass nur die Reisedokumente derjenigen Personen, die in einer beweglichen Unterkunft wohnen, regelmäßig mit einem behördlichen Sichtvermerk versehen werden müssen; dass diese Regelung innerhalb der Personengruppe von Menschen, die seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben, eine Ungleichbehandlung vornimmt, indem sie Sondervorschriften für die Ausstellung und Bestätigung der Reisedokumente derjenigen Personen vorsieht, die einer umherziehenden Lebensweise folgen und dauerhaft in einer beweglichen Unterkunft wohnen; dass diese Ungleichbehandlung auf der unterschiedlichen Sachlage, in der sich die letztgenannte Personengruppe befindet, beruht und einen unmittelbaren Bezug zum Gesetz, welches die Ungleichbehandlung begründet, aufweist; dass sie infolgedessen nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt; dass in Hinblick auf den vom Gesetz verfolgten Zweck die von Artikel 6 vorgesehene Pflicht, die Gültigkeit der Reisedokumente in regelmäßigen Abständen verlängern zu lassen, keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Recht der Freizügigkeit darstellt;

  2. In Erwägung dessen, dass aus diesen Ausführungen folgt, dass die Artikel 2 und 3 des Gesetzes verfassungskonform sind;

  • Bezüglich der Artikel 4 und 5:
  1. In Erwägung dessen, dass gemäß Artikel 4 in Verbindung mit Artikel 5 des Gesetzes vom 3. Januar 1969 Personen, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet, seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben und dauerhaft in einem Fahrzeug, einem Anhänger oder einer anderen beweglichen Unterkunft wohnen, ein Reisedokument benötigen, wenn sie in Frankreich von Ort zu Ort fahren wollen, und zwar - wenn sie insbesondere aufgrund einer lohnabhängigen Tätigkeit, regelmäßige Einkünfte beziehen, die ihnen normale Lebensbedingungen ermöglichen - ein Reisedokumentenbuch, welches in regelmäßigen, durch Rechtsverordnung festgelegten Abständen, frühestens jedoch alle drei Monate, von der zuständigen Behörde mit einem Sichtvermerk versehen wird, beziehungsweise - wenn besagte Personen über keine derartigen regelmäßigen Einkünfte verfügen - ein Reisedokumentenheft, welches von der zuständigen Behörde alle drei Monate zu einem festen Datum mit einem Sichtvermerk versehen wird; dass im Übrigen gemäß Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes vom 3. Januar 1969 Personen, die ohne Reisedokumentenheft von Ort zu Ort reisen, mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und einem Jahr bestraft werden können;

  2. In Erwägung dessen, dass, zum einen, diese Vorschriften zwei Arten von Reisedokumenten vorsehen, welche unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen und für Personen gelten, die dauerhaft in einem Fahrzeug, einem Anhänger oder einer anderen beweglichen Unterkunft wohnen; dass die betreffenden Personen, je nachdem, ob sie regemäßige Einkünfte beziehen oder nicht, in Bezug auf den behördlichen Sichtvermerk in ihrem Reisedokument unterschiedlichen Verpflichtungen unterliegen; dass eine solche Ungleichbehandlung keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den vom Gesetz verfolgten zivil-, sozial-, verwaltungsrechtlichen und den gerichtlichen Zwecken aufweist; dass sie daher für verfassungswidrig erklärt werden muss;

  3. In Erwägung dessen, dass, zum anderen, die Vorschrift des Artikels 5 des Gesetzes dadurch, dass sie bestimmt, dass das Reisedokumentenheft alle drei Monate mit einem behördlichen Sichtvermerk versehen werden muss und das Umherfahren ohne Reisedokumentenheft mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet wird, einen im Hinblick auf den vom Gesetz verfolgten Regelungszweck unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Freizügigkeit vorsieht;

  4. In Erwägung dessen, dass aus diesen Ausführungen folgt, dass in Artikel 4 des Gesetzes vom 3. Januar 1969 die Worte „Beziehen die in Artikel 3 genannten Personen, insbesondere aufgrund einer lohnabhängigen Tätigkeit, regelmäßige Einkünfte, die ihnen normale Lebensbedingungen ermöglichen,“ sowie der Artikel 5 des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt werden müssen; dass infolge dieser Verfassungswidrigkeitserklärung in Artikel 3 des Gesetzes die Worte „eines der von den Artikeln 4 und 5 genannten Reisedokumente“ durch folgenden Wortlaut ersetzt werden müssen: „das von Artikel 4 vorgesehene Reisedokument“; dass in Artikel 6 Absatz 2 die Worte „des Heftes und des Buches nach Artikel 3, 4 und 5“ durch „und des Reisedokumentenbuches nach Artikel 3 und 4“ ersetzt werden müssen; dass in Artikel 11 des Gesetzes die Worte „in den Artikeln 2, 3, 4 und 5“ durch die Worte „in den Artikeln 2, 3 und 4“ ersetzt werden müssen;

  • ÜBER DIE ANMELDEGEMEINDE:
  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel 7 des zur Prüfung vorgelegten Gesetzes bestimmt, dass, wer ein Reisedokument beantragt, anzugeben hat, in welcher Gemeinde er gemeldet zu sein wünscht; dass die Entscheidung über die Anmeldung in der Gemeinde durch den Präfekten oder den Unterpräfekten nach begründeter Stellungnahme des Bürgermeisters erfolgt; dass der Artikel 8 vorsieht, dass die Zahl der in einer Gemeinde gemeldeten Inhaber solcher Reisedokumente ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort 3 % der bei der letzten Volkszählung ermittelten Bevölkerungszahl der Gemeinde nicht überschreiten darf; dass der Präfekt jedoch Ausnahmen von dieser Regelung zulassen kann, „insbesondere um das Zusammenleben von Familien zu gewährleisten“; dass der Artikel 9 vorschreibt, dass die Wahl einer Anmeldegemeinde für eine Mindestdauer von zwei Jahren gilt; dass gemäß dem Artikel 10 infolge der Anmeldung und gemäß den von diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen ganz oder zum Teil dieselben Rechtsfolgen eintreten, welche mit dem Wohnsitz, dem Aufenthaltsort oder der Arbeitsstätte einhergehen, betreffend - insbesondere - Eheschließungen, die Eintragung in das Wählerverzeichnis, die sich aus dem Steuerrecht ergebenden Pflichten, die sich aus dem Sozialversicherungs- und dem Arbeitslosenrecht ergebenden Pflichten sowie die Ableistung des Wehrdienstes; dass, die Eintragung in das Wählerverzeichnis betreffend, der dritte Absatz des Artikels 10 vorsieht, dass die Eintragung nach Antrag des Betreffenden nur dann erfolgt, wenn dieser seit drei Jahren ununterbrochen in derselben Gemeinde gemeldet ist;

  2. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller und die als Nebenintervenient auftretende Vereinigung vortragen, die Pflicht, eine Gemeinde für die Anmeldung zu benennen und der vom Gesetz bei der Anmeldung von Inhabern von Reisedokumenten vorgesehene Grenzwert je Gemeinde von 3 % der Gemeindebevölkerung verstoße gegen das Recht der Freizügigkeit; dass im Übrigen, „betreffend die Wahl des Wohnortes“, das Recht auf Achtung der Privatsphäre verletzt sei; dass schließlich die Vorschrift des Artikels 10 einen rechtswidrigen Eingriff in die Ausübung der Bürgerrechte vornehme, indem er den Inhabern von Reisedokumenten vorschreibe, für die Eintragung in das Wählerverzeichnis eine seit drei Jahren ununterbrochene Anmeldung in derselben Gemeinde nachzuweisen;

  • Bezüglich des Rechts der Freizügigkeit und des Rechts auf Achtung der Privatsphäre:
  1. In Erwägung dessen, dass die Pflicht von Personen, die seit mehr als sechs Monaten keinen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben, in einer Gemeinde gemeldet zu sein der Tatsache abhelfen soll, dass es diesen Personen nicht möglich ist, die Voraussetzungen zu erfüllen, um bestimmte Rechte ausüben oder bestimmten Pflichten nachkommen zu können; dass diese Anmeldepflicht besagter Personen weder deren Bewegungsfreiheit noch deren Recht, sich für einen festen oder beweglichen Wohnort zu entscheiden, noch deren Entscheidungsfreiheit bezüglich des Ortes, an dem sie sich zeitweilig niederlassen wollen, einschränkt; dass diese Pflicht auch nicht das Recht der betreffenden Personen beschneidet, für mehr als sechs Monate einen festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort zu wählen; dass sie auch keine Verpflichtung begründet, in der Anmeldegemeinde wohnen zu müssen; dass infolgedessen die Rügen, die Artikel 7 bis 10 des Gesetzes vom 3. Januar 1969 verstießen gegen das Recht der Freizügigkeit und das Recht auf Achtung der Privatsphäre zurückgewiesen werden müssen;
  • Bezüglich der Ausübung der Bürgerrechte:
  1. In Erwägung dessen, dass Artikel 3 der Verfassung verkündet: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus, das sie durch seine Vertreter und durch Volksentscheid ausübt. Weder ein Teil des Volkes noch eine Einzelperson kann ihre Ausübung für sich in Anspruch nehmen. Die Wahl kann unmittelbar oder mittelbar nach Maßgabe der Bestimmungen der Verfassung erfolgen. Sie ist immer allgemein, gleich und geheim. Wahlberechtigt sind nach Maßgabe des Gesetzes alle volljährigen französischen Staatsangehörigen beiderlei Geschlechts, die im Besitz ihrer bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte sind“; dass Artikel 6 der Erklärung von 1789 bestimmt: „Da alle Bürger in [den] Augen [des Gesetzes] gleich sind, sind sie gleicherweise zu allen Würden, Stellungen und Beamtungen nach ihrer Fähigkeit zugelassen ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Tugenden und ihrer Talente“;

  2. In Erwägung dessen, dass aus der Verbindung dieser Verfassungsnormen hervorgeht, dass sich aus der Eigenschaft als Bürger das aktive und das passive Wahlrecht ergeben, und zwar gemäß Voraussetzungen, die für all diejenigen gleich sind, die nicht aus Gründen des Alters, des Wahlrechtsverlusts, der Staatsangehörigkeit oder aus Gründen zum Schutz der Freiheit des Wählers oder der Unabhängigkeit des Mandatsträgers vom Wahlrecht ausgeschlossen sind; dass diese Grundsätze von Verfassungsrang verbieten, die Wähler oder die Wählbaren in Gruppen zu unterteilen;

  3. In Erwägung dessen, dass die Vorschritt des Absatzes 3 von Artikel 10, indem sie Personen, die in Frankreich ohne festen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort unterwegs sind, vorschreibt, für die Eintragung in das Wählerverzeichnis eine seit drei Jahren ununterbrochene Anmeldung in derselben Gemeinde nachzuweisen, gegen die vorgenannten Verfassungsgrundsätze verstößt; dass daher in Artikel 10 Absatz 3 die Worte „und sofern dieser seit drei Jahren ununterbrochen in derselben Gemeinde gemeldet ist“ für verfassungswidrig erklärt werden müssen;

  • ÜBER DIE VERFASSUNGSWIDRIGKEITSERKLÄRUNG:
  1. In Erwägung dessen, dass Artikel 62 Absatz 2 der Verfassung bestimmt: „Eine gemäß Artikel 61-1 für verfassungswidrig erklärte Bestimmung ist ab der Veröffentlichung der Entscheidung des Verfassungsrates oder zu einem in dieser Entscheidung festgesetzten späteren Zeitpunkt aufgehoben. Der Verfassungsrat bestimmt die Bedingungen und Grenzen einer möglichen Anfechtung der Folgen der betreffenden Bestimmung“;

  2. In Erwägung dessen, dass die Verfassungswidrigkeitserklärung der Vorschriften des Gesetzes vom 3. Januar 1969 mit der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung wirksam wird; dass sie gegenüber allen zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren wirksam ist;

  3. In Erwägung dessen, dass der weitere Inhalt der angegriffenen Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Januar 1969 gegen keine von der Verfassung verbürgten Rechte und Freiheiten verstößt; dass diese Bestimmungen daher für verfassungskonform erklärt werden,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Folgende Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Januar 1969 über Reisegewerbe und das gegenüber Personen anwendbare Recht, die ohne festen Wohnsitz in Frankreich unterwegs sind, werden für verfassungswidrig erklärt:

  • in Artikel 4, die Worte: Beziehen die in Artikel 3 genannten Personen, insbesondere aufgrund einer lohnabhängigen Tätigkeit, regelmäßige Einkünfte, die ihnen normale Lebensbedingungen ermöglichen,“;
  • der Artikel 5;
  • in Artikel 10, die Worte „und sofern dieser seit drei Jahren ununterbrochen in derselben Gemeinde gemeldet ist“;

Infolge dieser Verfassungswidrigkeitserklärung werden ersetzt:

  • in Artikel 3 des Gesetzes die Worte „eines der von den Artikeln 4 und 5 genannten Reisedokumente“ durch die Worte „das von Artikel 4 vorgesehene Reisedokument“;
  • in Artikel 6 Absatz 2 die Worte „des Heftes und des Buches nach Artikel 3, 4 und 5“ durch die Worte „und des Reisedokumentenbuches nach Artikel 3 und 4“;
  • in Artikel 11 die Worte „in den Artikeln 2, 3, 4 und 5“ durch die Worte „in den Artikeln 2, 3 und 4“.

Artikel 2 - Die in Artikel 1 ausgesprochene Verfassungswidrigkeitserklärung wird ab der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung gemäß den in der Erwägung Nr. 32 festgelegten Voraussetzungen wirksam.

Artikel 3 - Die Artikel 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 sind in ihrem übrigen Wortlaut verfassungskonform.

Artikel 4 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 4. Oktober 2012, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Jacqueline de GUILLENCHMIDT, Hubert HAENEL und Pierre STEINMETZ.

Veröffentlicht am 5. Oktober 2012.

Les abstracts

  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.19. LIBERTÉ PERSONNELLE
  • 4.19.3. Liberté personnelle et police administrative

Les mesures de police administrative susceptibles d'affecter l'exercice des libertés constitutionnellement garanties, au nombre desquelles figurent la liberté d'aller et venir, composante de la liberté personnelle protégée par les articles 2 et 4 de la Déclaration de 1789, doivent être justifiées par la nécessité de sauvegarder l'ordre public et proportionnées à cet objectif.
Les articles 2 à 6 de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe sont relatifs au régime des titres de circulation que doivent détenir les personnes sans domicile ni résidence fixe de plus de six mois. Il résulte des dispositions combinées du premier alinéa de l'article 2 et de l'article 3 de la loi du 3 janvier 1969 que ces dispositions sont applicables, d'une part, aux " personnes n'ayant ni domicile ni résidence fixes de plus de six mois dans un État membre de l'Union européenne ", aux personnes de plus de seize ans qui les accompagnent et à leurs préposés, et, d'autre part, aux " personnes âgées de plus de seize ans " autres que celles précédemment mentionnées qui sont " dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois " et " qui logent de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile ".
En imposant à toutes ces personnes d'être munies d'un titre de circulation, le législateur a entendu permettre, à des fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires, l'identification et la recherche de ceux qui ne peuvent être trouvés à un domicile ou à une résidence fixe d'une certaine durée, tout en assurant, aux mêmes fins, un moyen de communiquer avec ceux-ci. Ces dispositions sont fondées sur une différence de situation entre les personnes, quelles que soient leurs nationalités et leurs origines, qui ont un domicile ou une résidence fixe de plus de six mois et celles qui en sont dépourvues. Ainsi la distinction qu'elles opèrent repose sur des critères objectifs et rationnels en rapport direct avec le but que s'est assigné le législateur. L'atteinte portée à la liberté d'aller de venir qui en résulte est justifiée par la nécessité de protéger l'ordre public et proportionnée à cet objectif.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 15, 17, 18, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)

La loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe impose à ces personnes qui circulent en France sans domicile ni résidence fixe de plus de six mois d'être munies d'un titre de circulation. Elle a ainsi entendu permettre, à des fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires, l'identification et la recherche de ceux qui ne peuvent être trouvés à un domicile ou à une résidence fixe d'une certaine durée, tout en assurant, aux mêmes fins, un moyen de communiquer avec ceux-ci
En vertu de l'article 2 de cette loi, les personnes n'ayant ni domicile ni résidence fixe de plus de six mois dans un État membre de l'Union européenne, les personnes qui les accompagnent, et les préposés de ces dernières, si elles sont âgées de plus de seize ans et n'ont en France ni domicile, ni résidence fixe depuis plus de six mois, doivent être munies d'un livret spécial de circulation. L'article 3 dispose que les personnes, autres que les précédentes, dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois qui logent de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile doivent, pour pouvoir circuler en France, être munies, soit d'un livret de circulation soit d'un carnet de circulation. Il résulte des dispositions combinées des articles 2 et 3 de la loi, que seuls les titres de circulation remis aux personnes qui logent dans un abri mobile doivent être visés à intervalles réguliers par l'autorité administrative. Eu égard à l'objet de la loi, l'obligation de prorogation périodique de la validité de ces titres prévue par l'article 6 ne porte pas une atteinte inconstitutionnelle à la liberté d'aller et de venir.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 15, 18, 19, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)

La loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe impose à ces personnes qui circulent en France sans domicile ni résidence fixe de plus de six mois d'être munies d'un titre de circulation. Elle a ainsi entendu permettre, à des fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires, l'identification et la recherche de ceux qui ne peuvent être trouvés à un domicile ou à une résidence fixe d'une certaine durée, tout en assurant, aux mêmes fins, un moyen de communiquer avec ceux-ci.
En vertu des dispositions combinées des articles 4 et 5 de la loi du 3 janvier 1969, les personnes âgées de plus de seize ans et dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois qui logent de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile doivent, pour pouvoir circuler en France, être munies, soit, lorsqu'elles justifient de ressources régulières leur assurant des conditions normales d'existence notamment par l'exercice d'une activité salariée, d'un livret de circulation qui doit être visé par l'autorité administrative à des intervalles définis par voie réglementaire qui ne peuvent être inférieurs à trois mois, soit, lorsqu'elles ne justifient pas de telles ressources régulières, d'un carnet de circulation qui doit être visé par l'autorité administrative tous les trois mois, de quantième à quantième. En outre, en vertu du deuxième alinéa de l'article 5 de la loi du 3 janvier 1969, les personnes circulant sans avoir obtenu de carnet de circulation sont passibles d'un an d'emprisonnement.
En imposant que le carnet de circulation soit visé tous les trois mois par l'autorité administrative et en punissant d'une peine d'un an d'emprisonnement les personnes circulant sans carnet de circulation, les dispositions de l'article 5 de la loi du 3 janvier 1969 portent à l'exercice de la liberté d'aller et de venir une atteinte disproportionnée au regard du but poursuivi.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 15, 21, 23, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)

L'article 7 de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe dispose que toute personne qui sollicite la délivrance d'un titre de circulation est tenue de faire connaître la commune à laquelle elle souhaite être rattachée. Ce rattachement est prononcé par le préfet ou le sous-préfet après avis motivé du maire. L'article 8 prévoit que le nombre des personnes détentrices d'un titre de circulation, sans domicile ni résidence fixe, rattachées à une commune, ne doit pas dépasser 3 % de la population municipale telle qu'elle a été dénombrée au dernier recensement. Le préfet peut toutefois accorder des dérogations à cette règle " notamment pour assurer l'unité des familles ". L'article 9 impose que le choix d'une commune de rattachement soit effectué pour une durée minimale de deux ans. En vertu de l'article 10, ce rattachement produit, dans les conditions que cet article détermine, tout ou partie des effets attachés au domicile, à la résidence ou au lieu de travail en ce qui concerne, notamment, la célébration du mariage, l'inscription sur la liste électorale, l'accomplissement des obligations fiscales et de celles prévues par les législations de sécurité sociale et la législation sur l'aide aux travailleurs sans emploi, ainsi que l'obligation du service national.
L'obligation de rattachement à une commune imposé aux personnes dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois est destinée à remédier à l'impossibilité, pour elles, de satisfaire aux conditions requises pour jouir de certains droits ou de remplir certains devoirs. Cette obligation ne restreint ni la liberté de déplacement des intéressés, ni leur liberté de choisir un mode de logement fixe ou mobile, ni celle de décider du lieu de leur installation temporaire. Elle ne restreint pas leur faculté de déterminer un domicile ou un lieu de résidence fixe pendant plus de six mois. Elle n'emporte pas davantage obligation de résider dans la commune de rattachement. Par suite, les griefs tirés de ce que les articles 7 à 10 de la loi du 3 janvier 1969 porteraient atteinte à la liberté d'aller et de venir et au droit au respect de la vie privée doivent être écartés.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 25, 27, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.2. Discriminations interdites

Les dispositions de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe n'instituent aucune discrimination fondée sur une origine ethnique.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 18, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.4. Respect du principe d'égalité : différence de traitement justifiée par une différence de situation
  • 5.1.4.19. Police administrative

La loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe impose à ces personnes qui circulent en France sans domicile ni résidence fixe de plus de six mois d'être munies d'un titre de circulation. Elle a ainsi entendu permettre, à des fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires, l'identification et la recherche de ceux qui ne peuvent être trouvés à un domicile ou à une résidence fixe d'une certaine durée, tout en assurant, aux mêmes fins, un moyen de communiquer avec ceux-ci. Ces dispositions sont fondées sur une différence de situation entre les personnes, quelles que soient leurs nationalités et leurs origines, qui ont un domicile ou une résidence fixe de plus de six mois et celles qui en sont dépourvues. Ainsi la distinction qu'elles opèrent repose sur des critères objectifs et rationnels en rapport direct avec le but que s'est assigné le législateur. Elles n'instituent aucune discrimination fondée sur une origine ethnique. Par suite, en imposant aux personnes visées d'être porteur d'un titre de circulation, le législateur n'a pas méconnu le principe d'égalité.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 18, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)

En vertu de l'article 2 de la loi du 3 janvier 1969, les personnes n'ayant ni domicile ni résidence fixe de plus de six mois dans un État membre de l'Union européenne, les personnes qui les accompagnent, et les préposés de ces dernières, si elles sont âgées de plus de seize ans et n'ont en France ni domicile, ni résidence fixe depuis plus de six mois, doivent être munies d'un livret spécial de circulation. L'article 3 dispose que les personnes, autres que les précédentes, dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois qui logent de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile doivent, pour pouvoir circuler en France, être munies, soit d'un livret de circulation soit d'un carnet de circulation. Il résulte des dispositions combinées des articles 2 et 3 de la loi, que seuls les titres de circulation remis aux personnes qui logent dans un abri mobile doivent être visés à intervalles réguliers par l'autorité administrative. En distinguant, parmi les personnes n'ayant ni domicile ni résidence fixe depuis plus de six mois celles qui pratiquent un mode de vie itinérant en logeant de façon permanente dans un abri mobile pour les soumettre à des règles particulières de délivrance et de visa des titres de circulation, ces dispositions instituent une différence de traitement fondée sur une différence de situation en rapport direct avec l'objet de la loi qui l'établit et, par suite, ne méconnaissent pas le principe d'égalité.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 18, 19, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.6. Violation du principe d'égalité
  • 5.1.6.11. Police administrative

La loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe impose à ces personnes qui circulent en France sans domicile ni résidence fixe de plus de six mois d'être munies d'un titre de circulation. Elle a ainsi entendu permettre, à des fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires, l'identification et la recherche de ceux qui ne peuvent être trouvés à un domicile ou à une résidence fixe d'une certaine durée, tout en assurant, aux mêmes fins, un moyen de communiquer avec ceux-ci.
En vertu des dispositions combinées des articles 4 et 5 de la loi du 3 janvier 1969, les personnes âgées de plus de seize ans et dépourvues de domicile ou de résidence fixe depuis plus de six mois qui logent de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile doivent, pour pouvoir circuler en France, être munies, soit, lorsqu'elles justifient de ressources régulières leur assurant des conditions normales d'existence notamment par l'exercice d'une activité salariée, d'un livret de circulation qui doit être visé par l'autorité administrative à des intervalles définis par voie réglementaire qui ne peuvent être inférieurs à trois mois, soit, lorsqu'elles ne justifient pas de telles ressources régulières, d'un carnet de circulation qui doit être visé par l'autorité administrative tous les trois mois, de quantième à quantième. En outre, en vertu du deuxième alinéa de l'article 5 de la loi du 3 janvier 1969, les personnes circulant sans avoir obtenu de carnet de circulation sont passibles d'un an d'emprisonnement.
Ces dispositions instaurent deux titres de circulation soumis à des régimes différents applicables aux personnes qui résident de façon permanente dans un véhicule, une remorque ou tout autre abri mobile. Selon qu'elles justifient ou non de ressources régulières, elles sont soumises à des obligations différentes quant au visa par l'autorité administrative du titre de circulation qui leur est remis. Une telle différence de traitement n'est pas en rapport direct avec les fins civiles, sociales, administratives ou judiciaires poursuivies par la loi. Elle doit par suite être déclarée contraire à la Constitution.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 18, 21, 22, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 8. ÉLECTIONS
  • 8.1. PRINCIPES DU DROIT ÉLECTORAL
  • 8.1.1. Droits et libertés de l'électeur
  • 8.1.1.3. Exercice du droit de suffrage
  • 8.1.1.3.2. Capacité d'exercice du droit de suffrage
  • 8.1.1.3.2.5. Empêchement à l'exercice du droit de suffrage

Du rapprochement de l'article 3 de la Constitution et de l'article 6 de la Déclaration de 1789, il résulte que la qualité de citoyen ouvre le droit de vote et l'éligibilité dans des conditions identiques à tous ceux qui n'en sont pas exclus pour une raison d'âge, d'incapacité ou de nationalité, ou pour une raison tendant à préserver la liberté de l'électeur ou l'indépendance de l'élu. Ces principes de valeur constitutionnelle s'opposent à toute division par catégories des électeurs ou des éligibles.
En imposant à des personnes circulant en France sans domicile ou résidence fixe de justifier de trois ans de rattachement ininterrompu dans la même commune pour leur inscription sur la liste électorale, les dispositions du troisième alinéa de l'article 10 de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe sont contraires aux principes constitutionnels ci-dessus rappelés. Elles doivent être déclarées contraires à la Constitution.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 28, 29, 30, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.8. SENS ET PORTÉE DE LA DÉCISION
  • 11.8.5. Rectification d'une disposition législative par voie de conséquence

Saisi d'une question prioritaire de constitutionnalité portant sur les articles 2 à 11 de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe, le Conseil juge que doivent être déclarés contraires à la Constitution, les mots : " Lorsque les personnes mentionnées à l'article 3 justifient de ressources régulières leur assurant des conditions normales d'existence notamment par l'exercice d'une activité salariée, " figurant à l'article 4 de la loi ainsi que l'article 5 de la même loi.
Par voie de conséquence, à l'article 3 de la même loi, les mots : " de l'un des titres de circulation prévus aux articles 4 et 5 " doivent être remplacés par les mots " du titre de circulation prévu à l'article 4 ". Au deuxième alinéa de l'article 6 de la même loi, les mots : " , des carnet et livret prévus aux articles 3, 4 et 5 " doivent être remplacés par les mots : " et du livret de circulation prévu aux articles 3 et 4 ". À l'article 11 de la même loi, les mots " aux articles 2, 3, 4 et 5, " doivent être remplacés par les mots : " aux articles 2, 3 et 4, ".

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 24, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.8. SENS ET PORTÉE DE LA DÉCISION
  • 11.8.6. Portée des décisions dans le temps
  • 11.8.6.2. Dans le cadre d'un contrôle a posteriori (article 61-1)
  • 11.8.6.2.2. Abrogation
  • 11.8.6.2.2.1. Abrogation à la date de la publication de la décision

Le Conseil constitutionnel déclare contraire à la Constitution certaines dispositions de la loi du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe. Il juge que la déclaration d'inconstitutionnalité prend effet à compter de la publication de la présente décision et qu'elle est applicable à toutes les affaires non jugées définitivement à cette date.

(2012-279 QPC, 05 Oktober 2012, cons. 32, Journal officiel du 6 octobre 2012, page 15655, texte n° 69)
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